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Gefangenenhaus Ostertorwache

 
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Zelle "Gefangen"
 
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Text für das Faltblatt: Zelle Gefangen

Das Detentions- oder Gefangenenhaus diente im 19.Jahrhundert der Unterbringung von Häftlingen, die kürzere Freiheitsstrafen zu verbüßen hatten. Freiheitsstrafen wurden in Ein-zelhaft oder gemeinsamer Haft vollstreckt. Im Gefangenenhaus gab es dafür Einzelzellen, Zellen für zwei, sechs und acht Häftlinge sowie die Kellerräume. Die Zellen im erhalten gebliebenen Zellenflur dienten in der Regel als Zweimann- oder Einzelzellen. Sie messen 2,60 m in der Breite, 2,75 m in der Länge und haben eine mittlere Höhe von 2,22 m, zu der eine gewölbte Halbtonnen-Decke von maximal 0,75 m kommt. Die Zellen entsprachen damit in etwa den Vorschriften über die Größe von Hafträumen, die der Bundesrat 1897 gemeinschaftlich für die Haftanstalten der deutschen Länder aufgestellt hatte: "Die Zelle (Einzelzelle), für die in der Regel ein Luftraum von 22 cbm als Mindestmaß anzunehmen ist, erhält gewöhnlich eine Breite von 2,20 m und wird nur ausnahmsweise schmaler, jedoch nicht unter 2,00 m breit gemacht."
Nach einem Inventar aus dem Jahre 1846 befanden sich in einer Einzelzelle: 1. eine Bettstelle mit Stroh gefüllt; 2. ein fester Sitz aus Eichenholz; 3. ein fester Tisch; 4. ein Kofferstuhl mit einem hölzernen Eimer; 5. ein Reglement für die Gefangenen. Später kamen ein kleiner Wandschrank hinzu sowie eine Stellwand zur Abschirmung des Koffer- oder Leibstuhls (Toiletteneimer). Zu den hölzernen Tischbettstellen (186 x 0,71 m) gehörten Strohsack, Strohkissen, Bettlaken und eine wollene Decke.
Vor jedem Fenster gab es eine "hölzerne Blendung". Marie Mindermann, 48er Demokratin, die wegen Beleidigung des Senats im Gefangenenhaus eine Haftstrafe von zehn Tagen absitzen mußte, schilderte ihre Zelle 1851 so: "Meine Zelle war eben nicht hübsch, nicht einladend. Mäßig hoch, maß sie 8 bis 9 Fuß im Geviert; in ziemlicher Höhe war ein Fenster mit kleinen Scheiben, von denen zwei offen standen, hinter dem Fenster ein Eisengitter, welches wiederum von einer hohen hölzernen Blendung eingefriedet war. Wieviel ich vom Himmel sehen konnte, wird jeder selbst berechnen können; sicherlich wenig genug! Ein flacher Ofen in der Mauer, an welchem zwei hölzerne Pflöcke zur Garderobe, zwei Bettstellen, schmutzig und unsauber, mit übelriechendem Stroh - als wäre die Zelle seit langer Zeit nicht gelüftet gewesen; in der Bettstelle eine wollene Decke von verdächtigem Aussehen, ein Brettstuhl, ein Tisch mit einem Wasserkruge - das war mein vollständiges Mobiliar. In der einen Ecke stand eine Commodité mit vollem, dunstenden Inhalte! Wie die Atmosphäre beschaffen, bei so bewandten Umgebungen, wird Jeder selbst ermessen."
Das Leben der Gefangenen im Gefangenenhaus regelte das "Reglement für die Gefangenen".
Zur Verpflegung der Gefangenen hieß es 1876 in einem Aktenvermerk: "Die Gefangenen bekommen täglich pro Kopf 3/4 Kilo Rockenbrot, morgens Kaffee mit Milch und zwar pro Kopf 6 Gramm Kaffee und für 1 1/2 Pfennige Milch, ferner Mittags Löffelspeise ohne Fleisch und Abends heißes Wasser, in welches die Gefangenen für gewöhnlich Brot einbrocken und das gehörige Quantum Salz dazu nehmen. Das Mittagsessen, mit welchem gewechselt und zwar so, daß nach schwerer Speise leichte verabreicht wird, besteht für gewöhnlich in Bohnen, Erbsen, Linsen, Reis, Graupen, Wurzeln, Steckrüben, Hundskohl, Scherkohl, braunem Kohl etc. und richtet sich die grüne Waare überhaupt nach der Jahreszeit."



Stand: 02.05.2002