Dokumentationsstätte
Gefangenenhaus Ostertorwache

 
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Tafel 5
 
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Texte der Informationstafeln in der
Dokumentationsstätte Gefangenenhaus Ostertorwache

(Texte von Hartmut Müller)

Tafel 5:

1933 - 1945
Machtergreifung in Justiz und Polizei

Als am 6. März 1933 der Koalitionssenat aus Bürgerlich-Konservativen und Sozialdemokraten zu-rücktrat, ergriffen auch in Bremen die Nationalsozialisten die Macht. In der letz-ten freien Reichs-tagswahl vom Vor-tage hatten sie mit nur 32% der Stim-men ihr Ziel der absoluten Mehr-heit verfehlt. Dazu reichten auch die 14,4 % Stimmanteil der völ-kischen Kampffront Schwarz-Weiß-Rot nicht aus. 30% der Stimm-berechtigten hatten die Sozialdemokraten gewählt, 13,5 % die Kommunisten, ein Anteil von 5,7% war noch an die Liberal-Bürgerlichen gefallen.
Im neuen Bremer Senat vom 18. März 1933 übernahm der SA-Sturmbannführer Theodor Laue un-ter der Bezeichnung "Verfassung und Rechtspflege" die Leitung von Polizei und Innerem. Nach preußischem Vorbild stellte er eine 70 bis 100 Mann starke "Hilfspolizei" auf und begann mit der Verfolgung der mit Verboten belegten Arbeiterparteien, besonders der Kommunisten. Da die Ge-fängnisse in der Stadt bald mit sogenannten Schutzhäftlingen überfüllt waren, richtete er Ende März 1933 in den ehemaligen Auswandererhallen der Auswanderer agentur Friedrich Mißler in der Wals-roderstraße das hiernach genannte KZ Mißler ein, dessen rund 150 Schutzhäftlinge der Hilfspolizei unter Leitung des SS-Hauptsturm-führers Otto Löblich ausgeliefert wurden. Im Mai 1933 waren 139 Schutzhäftlinge im KZ Mißler, 63 im Gefangenenhaus und 13 im Untersuchungsgefängnis inhaftiert. Im September 1933 verlegte man die Schutzhäftlinge aus dem KZ Mißler auf einen Binnenkahn in der Ochtummündung, bis auch diese illegale Einrichtung im Sommer 1934 aufgelöst und Schutzhäftlinge nur noch im Gefangenenhaus untergebracht wurden.
Wichtigste Institution zur Verfolgung politischer und gesellschaftlicher Gegner war auch in Bremen die Geheime Staatspolizei, die Gesta-po. In Bremen am 16.6.1933 in Anlehnung an preußisches Vorbild eingerichtet, stellte sie zunächst eigentlich nur eine formale Umbenen-nung der bereits seit 1919 bestehenden politischen Polizei der Zentralpolizeistelle der Polizeidirektion Bremen dar, auf deren Personal, Arbeitserfahrung und Personenkarteien sie zurückgreifen konnte. Zuständig für die Gestapo war der Innensenator. Erst mit der Verreichlichung der Polizei wurde die Bremer Polizei 1936 bzw. 1939 Himmler und dem Reichssicherheitshauptamt unterstellt. Die Gestapo bezog 1934 Am Wall 199 ihr eigenes Dienstgebäude. Hier liefen alle Aktionen zur Observierung und Verhaf-tung der politischen Gegner zusammen, hier fanden ihre Verhöre statt, hier wurde bedroht und ge-schlagen, wer nicht geständig war. Von hier aus bediente man sich der im Gefangenenhaus unterge-brachten Schutzhäftlinge, von hier aus überwies man Schutzhäftlinge zur "verschärften Verneh-mung" ins Gosselhaus, dem Sitz der SA-Standarte 75 am Buntentorsteinweg, wo es regelmäßig zu Folterungen und anderen brutalen körperlichen Übergriffen gegenüber den Gefangenen kam.
Das Gefangenenhaus war nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 wie alle anderen Bremer Strafvollzugsanstalten der Bremer Justizverwaltung unterstellt geblieben. Faktisch wurde es jedoch seit dem März 1933 auch als Polizeigefängnis durch die Gestapo genutzt, die hier mehr oder weniger willkürlich verfuhr und ein- und ausging. Mit der Überleitung der Rechts-pflege von den Ländern auf das Reich im Jahre 1934 ging das Gefangenenhaus am 1.4.1935 nach § 3 des Dritten Rechtspflegeüberleitungsgesetzes in das Eigentum des Reiches über und wurde dem Reichsminister für Justiz unterstellt. Hier saßen nun Häftlinge mit Strafen bis zu sechs Monaten ein, Untersuchungshäftlinge, für die im Untersuchungsgefängnis kein Platz war, und natürlich politische Polizeigefangene. Offiziell gab es hier 41 Zellen für 153 Häftlinge, für die 1934 erstmals eine zen-trale Heizungsanlage eingebaut worden war. Bei der starken Fluktuation war das Gefangenenhaus aber oft erheblich stärker belegt.
Die Frage nach der Unterbringung der in Schutzhaft genommenen Bremer Bibelforscher führte En-de 1937 zu ersten Überlegungen zwischen der Reichsjustizverwaltung und der Bremer Gestapo bzw. Polizeiverwaltung, das Gefangenenhaus an die Stadt Bremen zurückzuüberweisen und in ein reines Polizeigefängnis umzuwandeln. Als der Bremer Strafvollzug Eigenbedarf geltend machte und sich gegen eine Rücküberweisung aussprach, begann man 1939 mit der Suche nach einem geeigne-ten Grundstück
für einen Neubau. Zwar stimmte der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei solchen Plä-nen grundsätzlich zu, sah aber angesichts des inzwischen begonnen Kriegs zunächst keine Chance für deren Realisierung. Am 1.8.1940 kam es daher zur Rückübertragung des Gefangenenhauses an die Stadt Bremen, das nunmehr der staatlichen Polizeiverwaltung zur Aufnahme von Polizeigefan-genen zur Verfügung gestellt wurde.
In der Nacht vom 18. zum 19. August 1944 wurde das Gefangenenhaus bei einem Luftangriff er-heblich zerstört und mußte in der Folge geräumt werden. Die Häftlinge wurden in einer Gefängnis-baracke am Osterdeich untergebracht. Reparaturarbeiten verzögerten sich, obwohl die Gefängnis-leitung immer wieder auf die völlige Überbelegung der Gefängnisbaracke hinwies. Ende November 1944 konnte immerhin wieder mit der Belegung der Frauenabteilung begonnen werden. Besonders stark waren Gefängnisbaracke und Gefangenenhaus Ende des Krieges mit Zwangsarbeitern, vor allem "Ostar-bei-tern" belegt. Die ausländischen Zwangsarbeiter, Männer wie Frauen, vegetierten u.a.in den Kellergewölben unter dem teilweise noch zerstörten Gefangenenhaus. In den Putz der Mauern und Gewölbe ritzen sie ihre Namen ein, hinterließen in kyrillischen Buchstaben Spuren ihrer Gefangenschaft: "Hier saß Stanislaw Liszewski aus Smazewo, Kreis Krotoszyn, wegen Flucht aus dem Straflager und Betruges. Es lebe Polen, die Tyrannen des Volkes sollen zugrunde gehen. Gott und Vaterland". Vielleicht wurde auch er am 26. April 1945 von den in Bremen einmarschie-renden englischen Truppen wie die übrigen Häftlinge befreit.



Stand: 02.05.2002