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Texte der Informationstafeln in der
Dokumentationsstätte Gefangenenhaus Ostertorwache
(Texte von Hartmut Müller)
Tafel 8:
1980 - 1998
Vom "Abschiebeknast" zum Wilhelm Wagenfeld Haus
Abschiebung ist die Entfernung eines zur Ausreise verpflichteten Aus-länders
aus dem Hoheitsgebiet eines Staates, sofern er der Ausreisepflicht nicht
nachkommt. In der BRD regelt das jeweils gültige Aus-ländergesetz
in Verbindung mit dem Strafvollzugsgesetz und dem Freiheitsentziehungsgesetz
Abschiebung und Abschiebehaft. Zur Vorbereitung und Sicherung der Abschie-bung
kann in besonderen Fällen gerichtlich Abschiebehaft angeordnet werden.
Zuständig in Bremen ist für die Abschiebung das Stadtamt.
Unterbringung und Betreuung der Abschiebehäftlinge wurde der Polizei
übertragen. Gegen die Ab-schiebung nicht anerkannter Asylbewerber
kam es in den 80er und 90er Jahren immer wieder zu öffentlichen Protesten
von Menschenrechtsgruppen vor der Ostertorwache.
Als im Verlauf der siebziger Jahre die Dienststelle Gefangenentransport"
im Gefangenenhaus mit der Unterbringung von Abschiebehäftlingen beauftragt
wurde, war dieses Haus weder baulich noch von der Betreuung der Inhaftierten
her für eine längere Unterbringung derselben vorbereitet. Eher
auf "Eintags-gäste" eingestellt, traf man jetzt auf Menschen,
die keine Strafgefangenen waren und deren Verschulden oftmals nur darin
lag, gegen die Aufenthaltsbestimmungen der Bundesrepublik verstoßen
oder sich der Konsequenzen der Ablehnung ihres Asylgesuches durch Untertauchen
ent-zogen zu haben.
Für die Abschieber und Abschieberinnen, so der polizeiliche Sprachgebrauch,
die teilweise bis zu mehreren Monaten auf ihre Abschiebung warten mußten,
galt es in der Folge, menschen-würdige Zustände im Ge-fange-nenhaus
herbeizuführen: sie von den übrigen Gefangenen räumlich
zu trennen, Auf- und Um-schluß-zeiten sowie den Freigang im Hof
großzügig zu regeln, in der Verpflegung auf die kulturellen
und religiösen Speisegebote Rücksicht zu nehmen, für ausreichende
Freizeitangebote, wie Spiele, Radio und Zeitungen zu sorgen und anderes
mehr.
Obwohl sich die Bediensteten grundsätzlich um eine Verbesserung der
Situation im Polizeigewahr-sam bemühten, für die oft noch minderjährigen
Asylbewerber sogar Kleidung und Tabak besorgten, und sich zwischen ihnen
und den Abschiebern mitunter sogar verständnisvolle und freundschaftli-che
Beziehungen entwickelten, blieben die Zustände in der Abschiebehaft
-wie immer wieder amt-lich festgestellt und öffentlich gebrandmarkt-
unbefriedigend.
Das Verhältnis zwischen den Bediensteten und den Abschiebehäftlingen
war nicht immer span-nungsfrei, es kam zu Fluchtversuchen und zu Flucht,
zu Selbstmordversuchen und zu Brandstiftun-gen, Verzweiflungstaten, um
auf die prekäre grundsätzliche und persönliche Situation
aufmerksam zu machen. 1994 gründete sich die Asylgruppe Ostertor
zur ehrenamtlichen Betreuung von Ab-schiebehäftlingen in Sicherungshaft.
1995 entschloß sich der Senator für Inneres, die Abschiebehaft
im Folgejahr aufzulösen. Doch das Ende kam früher. Am 26. Januar
1996 legte ein verzweifelter Abschiebehäftling in seiner Zelle Feuer.
Ein großer Teil des oberen Geschosses brannte aus. Die Insassen
mußten verlegt werden. Die verrußte Ostertorwache war unbrauchbar
geworden.
Die grundsätzliche Frage, was aus dem Gefangenenhaus werden solle,
war bereits im Jahre 1992 durch Senatsbeschluß vom 18. August über
die "Umnutzung der nördlichen Ostertorwache für kul-turelle
Zwecke" gefallen: Überlassung des Gebäudes nördliche
Ostertorwache an die Wilhelm Wa-genfeld Stiftung in Gründung, das
Design-Zentrum Bremen und die Gesellschaft für Produktge-staltung.
Am 15.9.1993 stimmte die Bremische Bürgerschaft der Gründung
der Wilhelm Wagenfeld Stiftung zu: Betreuung des Nachlasses des 1900 in
Bremen geborenen international renomierten Bauhaus-Schü-lers Wilhelm
Wagenfeld (1990), der zu den bedeutendsten Pionieren industrieller
Produktgestaltung in Deutschland zählt. Die Finanzierung der notwendigen
Sanierung und Umbau-ten wurde durch die Waldemar Koch Stiftung sowie durch
öffentliche Mittel sichergestellt. Die En-de 1993 aufgenommenen Planungen
sahen vor, einen Teil der Ostertorwache im Originalzustand zu belassen
und in ihm eine Dokumentationsstätte zur Geschichte des Gefangenenhauses
einzurichten.
Das eigentliche Problem blieb zunächst, geeignete Ersatzräume
für das Polizeigewahrsam zu schaf-fen. Die vorgesehene Unterbringung
in der Kaserne in der Vahr verzögerte sich jedoch von Jahr zu Jahr.
Die Bremer Kulturszene reagierte zum Teil gereizt auf die beabsichtigte
Umwidmung des ehemaligen "Ge-stapogefängnisses" zum Wilhelm
Wagenfeld Haus. Nochmals erhob die Arbeits-gemeinschaft verfolgter Sozialdemokraten
Ansprüche auf eine kulturelle Nutzung des Gebäudes für
eine Dauerausstellung zu "Widerstand und Verfolgung in Bremen 1933-1945".
Im Herbst 1996 be-gannen schließlich die Bau- und Sanierungsarbeiten.
Eineinhalb Jahre später war alles fertig. Am 20.3.1998 übergab
die Senatorin für Bildung, Wissen-schaft, Kunst und Sport das umgebaute
und im makelosen Weiß erstrahlende Wilhelm Wagenfeld Haus seinen
neuen Nutzern. Vier Wochen später eröffnete es mit der Ausstellung
"Wilhelm Wagen-feld. Wegbereiter der Moderne" seine Pforten.
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