Text für das Faltblatt: Zelle Willkür
Häftlinge eines geregelten Strafvollzugs leben in einer gewissen
Sicherheit. Sie kennen das Ausmaß ihrer Strafe, ihren Alltag bestimmen
Hausordnung oder Gefangenenreglement.
An ihre Stelle trat in den Jahren des 3. Reiches die Willkür, der
die Häftlinge der Gestapo ausgeliefert waren, physische und psychische
Willkür. Als Gefangener wußte man nie, wie lange man inhaftiert
bleiben würde. Zermürbend war das Warten auf den eigenen Prozeß.
Stündlich konnte man zum Verhör durch die Gestapobeamten abgeholt
werden oder, was anfangs noch viel schlimmer war, zur "Sonderbehandlung"
bei der SA im sogenannten "GosselHaus". Bedrückend war
die Unsicherheit, was nach der Haft im Gefangenenhaus kommen würde:
Untersuchungsgefängnis, Zuchthaus, Konzentrationslager, Bewährungsbataillon,
Arbeitserziehungslager oder doch die Freiheit?
Verstärkt wurde die Willkür gegen Gefangene in der Einzelhaft
der Strafzelle. Gesichter von inhaftierten politischen Häftlingen
und Häftlingsfrauen schauen uns an. Ihre endlose Reihe verliert sich
in der hinteren Zellenwand. Sie steht stellvertretend für die große
Zahl der Gefangenen, die im Gefangenenhaus das Schicksal der Gestapohaft
teilten.
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