Kurze Entwicklungsgeschichte der
Dokumentationsstätte Gefangenenhaus Ostertorwache
Die Dokumentationsstätte wurde am 28. 9.1999 der Öffentlichkeit
übergeben und präsentierte sich am 2.10.1999 erstmals im regulären
Rhythmus der allgemeinen Öffentlichkeit. Seitdem ist sie jeden ersten
Sonnabend im Monat von 11.oo bis 16.oo Uhr geöffnet, die Betreuung
übernehmen Mitglieder des Vereins "Erinnern für die Zukunft
e.V.". Die Organisation sowie die Absprache für besondere Öffnungszeiten
und Führungen geschieht über das Staatsarchiv Bremen.
Seit Mitte der 1980er Jahre hat sich insbesondere die Arbeitsgemeinschaft
Verfolgter Sozialde-mokraten, hier insbesondere deren Bremer Gedenkstättenbeauftragter
Rainer Habel, für eine zentrale Dokumentations- und Gedenkstätte
für die Opfer des Nationalsozialismus eingesetzt. Dokumentiert sind
erste Bemühungen, die Ostertorwache als Bestimmungsort mit historischer
Vergangenheit festzulegen, im Jahr 1984. Verstärkt wurden die Bestrebungen
durch eine Rundfunksendung am 16.12.1989, in der Mechthild Müser
unter dem Titel "Wenn euch ekelt, wir verdenken es Euch nicht"
über das Gefangenenhaus und seine Geschichte berichtete. Kurz darauf
forderte die Arbeitsgemeinschaft Verfolgter Sozialdemokraten, in der Ostertorwache
ein Dokumentenhaus und eine Dauerausstellung "Verfolgung und Widerstand
in Bremen 1933-1945" einzurichten. Zur gleichen Zeit sah der Kulturplan
für Bremen 1987-1995 aber noch eine gemeinsame Nutzung des Gebäudes
durch das Gerhard-Marcks-Haus und die Kunsthalle vor.
Am 12. März 1991 war in der Stadtbürgerschaft im Rahmen einer
Fragestunde das Nutzungskonzept Thema einer kurzen Debatte. Darin machte
der damalige Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst, Bürgermeister
Scherf, deutlich, daß insbesondere darauf geachtet werden müsse,
daß kein neuer Zuschußbedarf entsteht, sondern daß Nutzer
in das Haus einziehen, die es selbst tragen können. Er stellte auch
fest: "Dieses alte Gefängnis, das ja auch eine historische Bedeutung
hat, ist auch ein Denkmal. Man darf die alten Zellen nicht alle wegreißen,
die sind alle geschützt, da haben früher einmal Gestapo-Häftlinge
gesessen, auch Verwandte von mir."
Die SPD Landesorganisation wandte sich 1992 an die inzwischen zuständige
Kultursenatorin Trüpel: Es sei darauf "hinzuwirken, daß
in diesem Haus dem mahnenden Gedenken an die Verfolgten und Opfer des
Nazi-Terrors in Bremen gebührender Platz eingeräumt wird. Dies
kann nach Auffassung des SPD-Landesvorstandes durch ein zentrales Mahnmal
Ostertor-Wache oder durch eine respektvolle Integration, die die schlimme
Vergangenheit dieses Gebäudes dokumentiert, in eine etwaig andere
Nutzung der Ostertor-Wache geschehen. ... Zumindest muß einem solchen
Anliegen dadurch entsprochen werden, daß - auch bei anderer Nutzung
- dem Gedächtnis- und Mahnmal-Charakter dieses Hauses ein hinreichender
und respektvoller Platz über den Weg der Integration in jedwede künftige
Nutzung eingeräumt wird. Bremen braucht einen zentralen Ort zur Aufklärung
über den Holocaust am Beispiel Bremens u.a. mit einer Dauerausstellung
über die Zeit 1933 bis 1945 mit konkreten Bezügen zu Opfern
und Tätern sowie den historischen Zusammenhängen vor 1933 und
nach 1945. 59 Jahre "nach 1933" ist solch ein Erinnern, Dokumentieren
und Vermitteln für alle Generationen an einem authentischen Ort wichtiger
denn je - auch und gerade im vereinten Deutschland."
1993 entscheidet der Senat, daß im Gefangenenhaus auch eine Dokumentationsstätte
eingerichtet werden soll; das Staatsarchiv erhält den Auftrag, ein
Konzept für die Dokumentation der Geschichte der Ostertorwache zu
erarbeiten. Zu diesem Zeitpunkt war auch noch vorgesehen, die Kellerräume,
die als "Dokumentationsort für die Geschichte des Hauses vorzüglich
geeignet" angesehen wurden, der Öffentlichkeit zu erschließen.
Auch bei der Konstitutierung des Beirates für das Wilhelm Wagenfeld
Haus wurde festgehalten, daß "erste Überlegungen angestellt
wurden, ob die geplante Dokumentation zur Geschichte des Hauses möglicherweise
in den Kellerräumen eingerichtet werden kann." Zugleich war
aber auch klar, daß diese Dokumentation räumlich klar von dem
Museumsbereich getrennt werden sollte.
In der Zeit von 1994 bis 1996 ändern sich die Auffassungen, nun sollen
einige Zellen im Erdge-schoß ausgegliedert werden und die Dokumentationsstätte
aufnehmen - die Beweggründe für diesen Wandel haben sich in
den vorliegenden Akten nicht niedergeschlagen; es kann vermutet werden,
daß wachsender Raumbedarf des Museums und der übrigen Nutzer
ausschlaggebend gewesen sind.
Durch diese Entwicklung veranlaßt gründet sich am 18.11.1996
in der Villa Ichon der Verein "Gedenkstätte Ostertorwache",
nachdem am 9.11. in den alten Zellen eine öffentliche Lesung durch
Schauspieler der Bremer Theater stattfgefunden hatte. Das Ziel des Vereins
ist die "Förderung der Einrichtung einer Gedenkstätte für
ehemalige NS-Verfolgte", insbesondere in der Ostertorwache.
Das Staatsarchiv veranlaßte 1997 die wissenschaftliche Untersuchung
und Darstellung der Ge-schichte der Ostertorwache durch Dieter Fricke
im Rahmen eines Werkvertrages. Zu dieser Zeit wandte sich der Leiter des
Ortsamtes Mitte/Östliche Vorstadt, Robert Bücking, in einem
Schreiben an die Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Kunst, Kahrs,
mit der Bitte, das derzeitige Nutzungskonzept nochmals zu überarbeiten.
Ein Blick auf das zur Zeit verfolgte Konzept und die Raumaufteilung lasse
keinen anderen Schluß zu, als daß die Dokumentations-/Gedenkstätte
weniger als eine Marginalie am Rande werden solle. Es wurde argumentiert,
daß die Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus
eine derart bedeutende Angelegenheit sei, daß "im Gefangenenhaus
am Ostertor niemals mehr als ein 'Zitat' oder ein 'Verweis' auf die Geschichte
des Gebäudes geplant gewesen sei."
Er schlug vor: "Die Nutzung des alten Eingangs auf der Ostseite
des Hauses sollte der Gedenk-stätte vorbehalten sein. ... Die Dokumentationsstätte
gewönne ein bescheidenes Foyer und einen angemessenen Eingang. ...
Wir möchten inständig darum bitten, alle am östlichen Gang
gelegenen Zellen der Dokumentations- und Gedenkstätte zuzuordnen.
Das Herausnehmen der großen Eckzelle aus dem Raumprogramm der Dokumentations-
und Gedenkstätte bedeutet, daß es nahezu unmöglich ist,
Fotos, Schrifttafeln und Dokumente in angemessener Form zu präsentieren.
Die anderen Zellen sind bekanntlich so klein, daß sich kaum mehr
als drei Personen gleichzeitig darin aufhalten können. Diese Zellen
sind in jeder Hinsicht selbst ein 'vollständiges Ausstellungsstück'
und können sinnvollerweise kaum mit 'didaktischem Material' möbliert
werden."
Auch diese Position mit einer bescheidenen Vergrößerung der
Räumlichkeiten und einer ent-scheidenden besseren Zugänglichkeit
hat sich nicht durchsetzen können. Der im Januar 1998 eingesetzten
Arbeitsgruppe aus Vertretern der Vereine "Erinnern für die Zukunft"
und "Gedenkstätte Ostertorwache" sowie des Staatsarchivs
blieb nur der jetzt erschlossene Zellentrakt für die Entwicklung
und Durchführung des 1998 und 1999 realisierten Konzeptes.
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